Die Kommunen stehen vor der Aufgabe, unsere Lebensräume an den Klimawandel anzupassen, Mobilitäts- und Energiewende umzusetzen und vielfältige, attraktive Orte für alle zu schaffen.[…]
„Wir müssen den Gebäudebestand in den Fokus nehmen wenn es darum geht, die Klimaresilienz und die Energieeffizienz zu steigern. Die Baukultur in Deutschland ist hier bereits auf einem guten Weg, da immer mehr alte Gebäude erhalten und weiterentwickelt werden. Diesen Trend gilt es zu verstärken“, sagt Cansel Kiziltepe, Stiftungsvorsitzende Bundesstiftung Baukultur1.
So ermutigend diese Feststellung im Allgemeinen auch ist, für Hohwacht gilt sie dennoch nicht, weil hier bereits seit Jahren die Investoren die Baukultur bestimmen. In Hohwacht ist „Nachhaltigkeit“ nur eine Worthülse, der Begriff „Ökologie“ ein Fremdwort. Auch in dem aktuellen städtebaulichen Wettbewerb Strandstaße/Alt Hohwacht wird bei 50 Prozent der eingereichten Arbeiten (1002, 1004) kein Erhalt von Gebäuden vorgesehen. Beim Siegerentwurf (Arbeit 1001) bleibt nur ein Teil der bestehenden Gebäude erhalten.
Laut einer forsa-Umfrage sind 82 Prozent der Deutschen Bürger*innen für den allgemeinen Erhalt von bestehenden Gebäuden, und sogar 88 Prozent dafür, dass Qualität und Umbaupotenzial eines Gebäudes geprüft werden sollten, ehe über seinen Abriss entschieden wird.
Der Erhalt von Gebäuden ist zudem ein wichtiger Klimaschutzfaktor. Studienergebnisse des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie zeigen, dass ein im Jahr 2020 errichteter energieeffizienter Neubau bis zum Jahr 2050 eine dreifach so hohe CO2-Bilanz hat, als ein saniertes Bestandsgebäude.
Heute verursacht der Bau- und Gebäudesektor fast die Hälfte der weltweiten klimaschädlichen CO2-Emissionen, die bei der Nutzung sowie bei Errichtung und Abriss eines Bauwerks anfallen. Angesichts der sich verschärfenden Klimalage ist ein Umdenken beim der Gebäudesanierung notwendig1.
Obwohl die Vorteile des Bauens im Bestand auf der Hand liegen, entscheiden sich Bauherren und Investoren hierzulande immer noch viel zu oft für Abriss und Neubau. Beim Abriss fallen in Deutschland jährlich rund 230 Millionen Tonnen Bauschutt an, das sind 55 Prozent der gesamten Abfallmenge. Fast 600 Millionen Tonnen nicht erneuerbarer Rohstoffe kommen beim Neubau zum Einsatz. Gut ein Drittel aller Treibhausgasemissionen eines Gebäudes entsteht bei seiner Herstellung und Errichtung – also vor seiner Nutzung. Abriss und Neubau sind also extrem klimaschädlich. Der BDA (Bund Deutscher Architektinnen und Architekten) fordert jetzt sogar ein Abrissmoratorium für das gesamte Land2.
Foto: Abriss der alten Schule am Ortseingang
Der Paradigmenwechsel im Bausektor in Hohwacht kann nur gelingen, wenn die baukulturellen Werte des Bestandes erkannt und stärker geachtet werden. Eine leider vertane Chance dazu bot der „städtebauliche Realisierungswettbewerb Strandstraße Alt-Hohwacht“, in dem „ein nachhaltiges städtebauliches Entwicklungskonzept …“ gesucht wurde, dass „… anknüpfen sollte an die Geschichte des Ortes – über die Entwicklung vom Fischerdorf zum bescheidenen Ostseebad.“ Anhand der vorliegenden Ergebnisse sagen wir: Ziel eindeutig verfehlt.
Wann begreift die Gemeindevertretung Hohwachts endlich, dass das Kernelement kommunaler Entscheidungen im Gemeinwohl und damit in der Zugänglichkeit für alle Interessen und Überzeugungen liegt? Für Alt-Hohwacht, den Dünenweg, die alte Schule und viele bebaute Einzelgrundstücke ist es schon zu spät.
Dass Umdenken möglich ist, zeigt der Hohwachter Investor Marco Nussbaum mit der gelungenen Instandsetzung des Hotels Waldwiese:
Foto: Waldwiese in der Waldstraße
Quellen:
- Baukulturbericht: Neue Umbaukultur 2022/2023
- Sendung „ttt“ vom 06.11.2022: Umbau statt Neubau